Welt im Gleichgewicht
mit Eric Bihl – zusammengefasst von Raphael Ferres
Zum Thema „Modell für eine Welt im Gleichgewicht – ökologisch, ökonomisch und sozial“ hielt Eric Bihl den Festvortrag im Rahmen des 24. Festes der Kulturinitiative Lebendig Leben, zugleich die elfte Ringvorlesung. Wolfram Kahle führte in den Vortrag ein und stellte den Referenten vor, der als 1. Vorsitzender des Vereins Equilibrismus e.V. unserer Einladung auf die Burg gefolgt war. Im gutgefüllten Meißnersaal fand sich am Sonntagvormittag eine trotz des vorangegangenen Festabends sehr aufmerksame Zuhörerschaft zusammen.
Die Idee des Equilibrismus (aus dem Lateinischen für „Gleichgewicht“) wurde, wie Eric ausführte, über Jahre hinweg entwickelt und vorangetrieben. Erster Kristallisationspunkt war dabei eine Theorie, die in dem 2005 erschienenen Buch ausgearbeitet wurde. Wo andere eine Theorie jedoch unmittelbar umgesetzt hätten, wählten er und seine Mitstreiter eine originell andere Herangehensweise: Ihr Weg führt vom Konzept zuerst zu einer Fiktion, der Fiktion einer Umsetzung equilibristischer Gesellschaftsorganisation auf einer Insel. Aus dem Roman Das Tahiti-Projekt trug Christina Kahle mehrere Passagen vor, die beispielhaft die enge Verknüpfung von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zeigten. Der Erarbeitungsschritt der Fiktion, hier in Form des Romans, kann helfen, Themen aus verschiedenen Richtungen zu durchdenken, und sich nicht auf Einzelaspekte zu verengen. Zu den Reformvorschlägen, die Eric Bihl vorstellte, gehören darum nicht nur infrastrukturelle Umbauten und eine Kreislaufwirtschaft, sondern ebenso wichtig auch Änderungen im globalen politischen und wirtschaftlichen System, die letztlich auf eine grundlegende Reform der UNO hinauslaufen müssen. Dieser intensive, stets nicht nur einzelne Probleme, sondern ihre Verflechtungen im Auge behaltende Weg kann kein leichter sein. Doch heute befindet sich diese Fiktion bereits in einem frühen Stadium ihrer Umsetzung.
Wie im Verlauf des mit vielen interessanten Beispielen angereicherten Vortrags deutlich wurde, haben die Equilibristen keine Patentlösung anzubieten. Was sie aber haben, sind eine positive Vision von der Zukunft der Welt, und vor allem haben sie klare, überraschend eingängige Konzepte, wie Probleme so gelöst werden können, daß diese Vision befördert wird. Der Equilibrismus versteht die Welt als einerseits ungeheuer dynamisch und wandelbar, andererseits als von vielen Pfadabhängigkeiten festgelegt. Die Innovation equilibristischen Denkens soll darin bestehen, diese Entwicklungspfade zu erkennen und ihre Interaktionslogiken zu hinterfragen, um die eigentlichen Ursachen von Problemen zu identifizieren. Ein grundlegender Gegensatz wird zum Wachstumsparadigma gesehen. Nachdem es die Wirtschaftsentwicklung lange geprägt hat, könne es nun nicht mehr weitertragen werden, da die Menschheit die verfügbaren Ressourcen weitgehend erschöpft habe. Wenn ein Gebäude auf Treibsand gebaut sei nütze es nicht viel, dieses Gebäude zu renovieren, so Eric Bihls griffiger Vergleich mit dem er unterstrich, warum das bewußte Dekonstruieren alter Sichtweisen so wichtig sei.
Ambivalent blieb, ob die mutigen Pläne für Umsetzungen auf Südseeinseln mehr Hoffnung wecken konnten, als das Erics ehrlicher Bericht über die kleinteilige Mühsal und auch bisherige Fehlschläge an der Durchführbarkeit zweifeln ließ. Die Zuhörer, die ihm im Meißnersaal gebannt folgten, hat er jedenfalls von der Idee begeistern können. Denn das gelungene Projekt auf einer Insel soll nicht die sprichwörtliche „Insellösung“ sein, sondern weltweit ein Beispiel geben. Dies nannte der Referent poetisch treffend einen „Präzedenzfall für die Zukunft“ – einer Zukunft, die der gesamten Menschheit ein menschengemäßes Weiterleben auf der Erde ermöglichen soll.
Doch nicht nur die Zuhörer profitierten vom Vortrag, auch Eric konnte umgekehrt von seinen Begegnungen auf der Burg Ludwigstein etwas mitnehmen. Die offenherzige Gemeinschaft der Jugendbewegten an diesem Wochenende habe ihn „erfrischt“, und ihn zu vielen neuen Ideen angeregt, so sein Dank an die Gastgeber. Beeindruckt zeigte er sich davon, daß in der Kulturinitiative Menschen ganz verschiedener Hintergründe sehr gut zusammenarbeiteten. Zahlreiche interessierte Nachfragen aus dem Publikum dokumentierten, daß es auch dem Referenten gelungen war, seine Zuhörer neugierig zu machen. Vieles, was in der Kürze des Vortrags beispielhaft und holzschnittartig bleiben mußte, findet sich in den Büchern näher ausgearbeitet.
(Quelle: http://www.burgludwigstein.de/Welt-im-Gleichgewicht.688.0.html)